DIALOG

 

Stephanie Gilles | Der wilde Zugriff

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"DER WILDE ZUGRIFF"


Stephanie Gilles

VON STEPHANIE GILLES M. A.
Kulturvermittlung
Landshut - München

 

Mit der Internationalen Sommerakademie Salzburg gründete Oskar Kokoschka 1953 eine bis heute beispielgebende „Schule des Sehens“. Zahlreiche namhafte Künstler von Markus Lüpertz über Jörg Immendorf, Daniel Spoerri, Guenther Uecker und Ai Weiwei unterrichteten und förderten seither dort Künstler und Studenten aus aller Welt.

In den Jahren 2013 und 2014 übernahm mit Norbert Bisky – selbst einst Schüler der Sommerakademie- einer der renommiertesten Vertreter der zeitgenössischen Malerei in Deutschland jeweils einen Sommerkurs. Als Petra Amtsberg Hoffmann davon hörte, bewarb sie sich erfolgreich um einen der begehrten Plätze.

Der Kurs sollte zur Initialzündung für eine neue Phase im Schaffen der gebürtigen Münchnerin werden: Die herausfordernde und unmittelbare Auseinandersetzung mit der künstlerischen Arbeit Biskys, vor allem seinen Gesichtern und der in ihrer intensiven zentrifugalen Kraft an ein Agglomerat von Splash Panels erinnernden Malweise mündet in einen neuen Ansatz großformatigen Arbeitens, der die Gründung der Riemerling Studios mit ihren geräumigen Atelierflächen nach sich zieht.

Auf das großformatige, farbintensive experimentelle Malen in Salzburg folgt im heimischen Atelier der Drang nach ordnender Fokussierung. In Rückbesinnung auf ihre beruflichen Wurzeln in der Architektur wechselt Amtsberg zunächst vom flächigen Großformat zur figurativen Zeichnung, von der vielschichtigen Malerei zur Linie und von der überbordenden Farbigkeit zur dunklen Umrißlinie. Es entstehen, aus der Erinnerung gespeist, zahllose Köpfe und Porträtdarstellungen. Sie werden in schnellem Strich mit Edding, Acryl, Tusche und auch Wasserfarbe aufs kleinformatige Papier gebracht oder auch als Lithografie in Szene gesetzt. Auf diese, von der Künstlerin als Ruhephasen des Sich- Sammelns begriffenen Zeiträume, in denen neue Gedanken Raum finden und sich entwickeln können, folgen seither stets Phasen des dynamischen, ja geradezu explosiven Arbeitens auf immer größer werdendem Malgrund. Inspiriert und ermutigt durch Norbert Bisky, überträgt Amtsberg die in unzähligen Variationen erprobten Porträts in großformatige Leinwandarbeiten. Eine satte Buntheit ergießt sich über den Malgrund. Amtsberg experimentiert mit den Möglichkeiten von Form,- und Farbgebung, setzt Akzente und gelangt so zu einer zwischen Abstraktion und Figuration changierenden Bildaussage. Erst auf den zweiten Blick erfasst der Betrachter das eigentliche Sujet des Bildes. Doch das ist durchaus gewollt. Amtsberg intendiert ein Spannungsfeld, dass es dem Rezipienten ermöglicht, „immer wieder etwas Neues zu entdecken..etwas Verstecktes nicht gleich Offensichtliches.“ Sie spielt mit Wahrnehmungsprozessen und scheint der Absicht Peter Doigs zu folgen, den interessiert, „was uns entgeht, wenn wir uns auf das konzentrieren, was unmittelbar ins Auge springt“. Acrylfarbe ist ihr bevorzugtes, weil schnelltrocknendes Malmittel. Die Künstlerin entwickelt in ihren Werken eine Form der Rhythmisierung, die an die Herangehensweise von Cecily Brown erinnert. Deren Credo des „I am looking slowly so that I can paint quickly“ findet sich auch bei Amtsberg. Einmal begonnen, wird der Malprozess schnell vorangetrieben, Schicht um Schicht wird übereinandergelegt, eine Bildstruktur entsteht. An diesem Punkt im Schaffensprozeß angelangt, geht die Künstlerin auf Distanz zu ihren Arbeiten, stellt Bilder eine zeitlang zur Seite, dreht sie oft sogar und prüft so deren Aussagekraft, bevor sie in additiven wie subtraktiven Prozessen ihre Bilder „aufräumt“, wie sie es liebevoll nennt. Da werden Überlagerungen wieder freigelegt, andere Teile des Bildes übermalt oder mit der ordnenden Hand der Architektin durch kraftvolle Strichsetzungen und Liniengeflechte neu strukturiert. Wahre Farbexplosionen überziehen nun das Bild und oszillieren zwischen gestischer Malerei, Abstraktion und

Gegenständlichkeit. Weiß gebliebene Auslassungen offenbaren Einblicke in ein Darunter, unterbrechen aber nicht die Dynamik des Bildausdrucks, sondern steigern ihn durch die entstehende Bipolarität. Es ist das Wechselspiel von ausufernder Dynamik, ja Ruhelosigkeit und des wieder Einfangens und Einbettens des Malaktes in ein geordnetes, ruhiges Fahrwasser ,das die Bilder von Petra Amtsberg so besonders macht. Ihre Malerei entwickelt zentrifugale Kräfte, strebt auseinander und wird von ihr behutsam wieder eingehegt.

Energiegeladen und gelassen, vielfältig und strukturiert, ruhevoll und leidenschaftlich, nachdenklich und immer offen für Neues: Das von Schelling als Begriffspaar definierte apollinisch- dionysische Prinzip ist der Künstlerin Petra Amtsberg wesenhaft eingeschrieben. Nach ihren künstlerischen Inspirationsquellen befragt, führt Amtsberg folgerichtig ausnahmslos Künstler an, die in ihren Werken auf unterschiedlichste Weise die Polarität der Dinge zum Thema haben.

Neben Norbert Bisky und Peter Doig nennt sie in atemloser Folge Cecily Brown und ihren malerischen Duktus, Egon Schiele und seinen jede Seinsmodalität erfassenden Strich, Maria Lassnigs Menschen, Henri Matisses schwebend gestaltende Leichtigkeit, Jean- Michel Basquiats wilden Zugriff und Marc Rothkos „Multiforms“ mit ihren sich bewegenden, übertönenden und stossenden Farbüberlagerungen. Sie experimentiert mit dem, was sie als Erkenntnisgewinn aus den künstlerischen Arbeiten der Moderne und Jetztzeit zieht. Das Ergebnis dieses in sehr freie und eigenständige Arbeiten mündenden Gestaltungswillens offenbart sich dem Betrachter in diesem Katalog als Feuerwerk der Farben, Formen und bildhaften Assoziationen oder wie Norbert Bisky formuliert: „Mit Ruhe und sicherem Instinkt findet Amtsberg zu kraftvollen Kompositionen….Ihre energiegeladenen Bilder…beherrschen den Balanceakt von Farben und Formen auf beeindruckende Weise.“

 

Stephanie Gilles M.A. arbeitet als Kunst,- und Kulturvermittlerin in Landshut und München. Ihre Kooperationspartner sind unter anderem die Neue Galerie Landshut,Museen der Stadt Landshut und das Bayerische Nationalmuseum.

Die Schwerpunkte ihrer Arbeit liegen in folgenden Bereichen: Aktuelle Kunst, Keramik und die Kunstkammern des 16. und 17. Jahrhunderts.
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Stephanie Gilles M.A.
Kulturvermittlung
Landshut- München


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P.A.H.
Petra Amtsberg Hoffmann

Studio: Riemerling Studios
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